Mystisches Gemurmel schleicht sich durch den dichten Nebel und bleibt in der Luft schweben. Es wird lauter und flacht dann wieder ab, fast wie Wellen. Gespannt starren wir in das weiße Nichts, bis plötzlich ein kleines Loch in die Schwaden gerissen wird und wir einen kurzen Blick auf die Szenerie etwa 200m unter uns erhaschen können.
Um einen kleinen See im Krater des Vulkans Chikabal laufen dutzende Menschen laut murmelnd hintereinander her. Wir wagen es fast nicht Luft zu holen und sind wie gebannt. Hier wird Religion noch richtig gelebt. Plötzlich verzieht sich der Nebel und legt den gesamten See frei. Von einem Augenblick zum nächsten schwillt das Gemurmel zu einem Geschrei an. Die Frauen lassen sich auf den Boden fallen und flehen kniend eine höhere Macht an. Gänsehaut.
Von Xela, wo wir für einige Tage unser Basislager aufgebaut haben, sind wir früh morgens gemeinsam mit Simon in Richtung San Martin aufgebrochen. Hinter dem Markt nehmen wir den ersten Bus, der dorthin fährt. Allerdings ist dieser wohl kaputt und schleicht nur im Schritttempo voran. Alle paar Meter hält er an. Nach einer dreiviertel Stunde, wir sind nur wenige Meter aus der Stadt raus, wird es uns zu blöd und wir steigen aus. So sind wir heute Abend noch unterwegs. Zum Glück hält der erste Pick-up, als wir den Daumen rausstrecken, und lässt uns auf seiner Ladefläche mitfahren. Perfekt.
In San Martin angekommen lassen wir uns den Weg Richtung Vulkan zeigen. Es geht immer steil den Berg hinauf. 5km lang. Ein paar Jungs versuchen Fahrradfahren zu lernen. Wenn das mal gut geht bei der Steigung. Schnell kommen wir ins Schnaufen, als wir schließlich ein kleines Hüttchen mit einem witzigen Mirador erreichen. Hier endet der geteerte Weg und es geht über Schotter weiter. Die Richtung ist gut ausgeschildet, sodass wir uns gar nicht verlaufen können. Immer wieder kommt von hinten ein Geländewagen und braust an uns vorbei. Wir laufen unbeirrt weiter. Obwohl uns der Schweiß läuft, wollen wir uns das Ziel ja auch verdient haben. Einige Jungs im Alter von 8-10 Jahren mit einer Machete in der Hand laufen vor uns her. Sie müssen Feuerholz sammeln gehen. Mal wieder wird uns klar, wie schön die Kindheit in Deutschland doch ist.
Dann erreichen wir eine kleine Ebene mit einem Sportplatz, dem Parkplatz und wenigen Hüttchen. Hier müssen wir noch den Eintritt berappen, bevor wir uns an den letzten Aufstieg machen. Gefühlt wird der Weg noch steiler, aber wir können über uns schon den Kraterrand sehen. Endlich oben angekommen blicken wir zunächst ins weiße Nichts. Tiefe Wolken hängen im Krater fest. Doch zum Glück wissen wir aus einigen anderen Blogs, dass nun Geduld gefragt ist. Und wir vernehmen ja auch das mystische Murmeln aus der Tiefe.
Nachdem wir einen Blick in den Krater erhaschen konnten, steigen wir anschließend ab bis zum See. Im dicken Nebel sehen wir Blumen und Kreuze nahe des Ufers. Langsam folgen wir dem schmalen Pfad, der einmal um den See herum führt. Immer wieder klart es plötzlich auf und ganz neue Blickwinkel ergeben sich. Wir freuen uns an einem Sonntag da zu sein, da wir so das religöse Ritual miterleben dürfen. Andere Reisende, die wir getroffen haben, meinten nur, es ist eben ein See in einem Vulkankrater, wie es viele gibt. Für uns ist es weit mehr. Immer wieder machen wir eine Pause und beobachten die Gläubigen.
Am Nachmittag machen wir uns dann an den Abstieg und steigen unten im Ort in ein Collectivo zurück nach Xela. Den großen Chickenbussen wollen wir heute nicht mehr vertrauen. Glücklich lehnen wir uns zurück und schließen die Augen: Was für ein unvergesslicher Tag.
Wenn die bunten Blumen nicht wären, könnten die Bilder auch an einem Gebirgssee in den Alpen aufgenommen worden sein. Aber wozu dienen denn diese Blumen nun eigentlich?
AntwortenLöschen