Montag, 6. Juli 2015

Medellin - die Stadt des ewigen Frühlings im Wandel


Medellin, die zweitgrößte Stadt in Kolumbien ist in den Köpfen noch fest verankert als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Vor gut 20 Jahren, 1991, wurden hier allein im Januar und Februar 1.200 Menschen ermordet. Im Schnitt also 20 pro Tag. Einen Auftragsmord konnte man damals bereits für umgerechnet etwa 20 EUR buchen. Aber Medellin ist im Wandel. Die Stadt des ewigen Frühlings, mit angenehmen ganzjährig durchschnittlichen Temperaturen von 22 Grad, erfindet sich neu.

Pablo Escobar, dieser Name schwebt wie ein Geist über der 2,7 Millionenstadt. Als Sohn eines Bauern und einer Lehrerin baute er sich in den 1970er Jahren ein Drogenimperium auf. Man sagt, er habe den Drogenschmuggel industrialisiert. Auf seinem Höhepunkt kontrollierte er 80 Prozent des internationalen Kokainmarktes. Das machte ihn laut Forbes Magazine zu einem der reichsten Männer der Welt, mit über 1 Mio. Dollar Gewinn pro Tag.

Aber Pablo Escobar war auch sozial engagiert. Er finanzierte Krankenhäuser, Sozialwohnungen und Schulen. Er unterstützte seinen Heimat-Fußball-Verein finanziell, sodass diese den Aufstieg schafften. Er wurde sogar als "Robin Hood" bezeichnet. So wundert es nicht, dass viele, vor allem arme Einwohner Medellins, ihn immer noch als Held ansehen. 

Seine größte Furcht war stets die Auslieferung an die USA. So unternahm er allerlei Kurioses, um dieser zu umgehen: Er bat an, auf einen Schlag alle Auslandsschulden von Kolumbien aus der eigenen Tasche zu begleichen oder stimmte zu in Kolumbien in ein Gefängnis zu gehen. Diesen Luxusknast hatte er allerdings selbst erbaut und er lebte anschließend dort mit seinen Leibwächtern in Saus und Braus. Als er allerdings einen verfeindeten Drogenboss dort ermorden ließ, sollte er in ein anderes Gefängnis verlegt werden und floh.

1993 wurde er auf der Flucht von einer US-amerikanischen-kolumbianischen Eliteeinheit erschossen. Sein blutdurchtränktes Hemd und die Ziegelsteine, auf die sein Kopf aufschlug, können noch immer im Polizeimuseum in Bogota "bewundert" werden. An seiner Beerdigung nahmen über 20.000 Menschen teil.


Heute, gut 20 Jahre später, bietet sich ein anderes Bild von Medellin, auch wenn wir zunächst nicht ganz so empfangen werden. An unserem ersten Tag wird binnen Sekunden der Metrobahnsteig auf dem wir stehen geleert und kurze Zeit später kommt ein Polizist mit Sprengstoffspürhund, um einen im Mülleimer steckenden Rucksack zu untersuchen - war zum Glück ein Fehlalarm. Endlich in der Innenstadt angekommen liefern sich Polizisten eine Straßenschlacht mit Demonstranten genau in der Seitenstraße, die wir aus einem Kaufhaus beobachten können. Eigentlich wollten wir nur einen schönen Blick auf den angrenzenden Park haben. Etwa 1,5 Stunden später trauen wir uns zurück auf die Straße. Langsam erwacht die Gegend wieder zum Leben und nach und nach öffnen die Geschäfte behutsam die Läden. Irgendwie unheimlich.

Dennoch: Medellin ist im Wandel und erfindet sich neu. 2012 wurde sie vom Wall Street Journal zur innovativsten Stadt der Welt gewählt. Und dafür hat Medellin in den vergangenen Jahren auch einiges getan: An fast jeder Straßenecke Parks errichtet, eine der saubersten Metros der Welt gebaut, Museen eröffnet, eine Bibliothek in einem der ehemalig ärmsten Viertel mit kostenlosem Internetzugang hochgezogen, Schulen und Krankenhäuser installiert. Aber der größte Erfolg war der Bau von mehreren Seilbahnlinien, die es den Bewohnern der armen Viertel ermöglicht innerhalb kurzer Zeit Arbeitsstellen in der Innenstadt zu erreichen, wozu sie vorher mehrere Stunden gebraucht haben. Die Anbindung der armen Bevölkerung hat den Großteil zu mehr Sicherheit beigetragen. Drei weitere Seilbahnen sind aktuell in Plaunung bzw. bereits im Bau.

Die Einwohner der Stadt wollen ihr Stigma ablegen. Auf dem San Antonio Platz, neben der durch ein Sprengstoffattentat 1995 verfetzten Vogelstatue von Botero - bei dem auch 23 Menschen ihr Leben gelassen haben - hat der Künstler kurzum nochmals einen identischen Vogel errichtet und diesen "Pajaro del la Paz (=Vogel des Friedens) genannt.

Den "Plazoleta de las Escultaras" schmücken 23 weitere dicke Bronzestatuen des wohl zweitbekanntesten Sohns der Stadt: Fernando Botero. Touristen klettern darauf umher und schießen Fotos. Zwischen ihnen tummeln sich allerlei Straßenverkäufer. Tatsächlich kommen immer mehr Touristen in die Stadt und verlassen diese meist positiv überrascht wieder.

Auch uns gefällt Medellin - trotz der anfänglichen Zwischenfälle - sehr gut. Die Stadt hat ein sehr angenehmes Klima und liegt super schön eingekesselt in einem Tal. Es erinnert tatsächlich ein bisschen an Stuttgart. Von der Endstation der Seilbahn in Santa Domingo, bietet sich uns ein unglaublicher Blick über das Häusermeer, das sich immer weiter die Hänge hochdrängt. Auf dem belebten Platz direkt an der Haltestelle (hier findet deutlich mehr Leben wieder auf der Straße statt) warten wir mit einigen Einheimischen in einer kleinen Kneipe auf den Sonnenuntergang. Vor wenigen Jahren hätte man sich nicht einmal tagsüber hierher getraut. Und wir sind überzeugt, dass es nicht mehr allzu lange brauchen wird, dass eine solch exklusive Lage - selbst in Medellin - zu einer der Top-Adressen gehören wird.


Die Polizei rückt zur Demo an

und liefert sich mit den Demonstranten Straßenkämpfe bei dem viel Tränengas zum Einsatz kommt


Binnen Sekunden schließen alle Läden in der näheren Umgebung

Wunderschönes Einkaufscenter


"El Pajaro herido" (=verwundeter Vogel) und "El Pajaro de la Paz" (=Vogel des Friedens) auf dem San Antonio Platz

Statuen von Boltero


Wieder leckeres Straßenessen

Obstverkäufer

Toller Ausblick von Santa Domingo

Ärmliche Häuser von der Seilbahn aus

Exklusiver Ausblick über das Häusermeer bei Nacht

Belebter Platz in Santa Domingo

Angenehme Eckkneipe um auf den Sonnenuntergang zu warten

bevor es wieder mit der Gondel nach unten geht


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