Dienstag, 24. November 2015

Backpacking 3.0 - Rucksackreisen im Wandel


Wir setzen uns einen riesigen Rucksack auf den Rücken, der alles beinhaltet was wir die nächsten Wochen oder Monate brauchen und lassen uns dann von einem Ort an den nächsten treiben. Wo es uns gefällt halten wir an und verweilen, bis uns der Wind oder die Sehnsucht weitertreibt. Wir planen nicht, wir buchen nicht vor. An einem neuen Ort klappern wir drei, vier Hostels ab, schauen uns die Zimmer an, verhandeln den Preis und entscheiden uns dann für das, was uns am Besten scheint. So war das alles einmal. Schon in der ersten Woche unserer Auszeit erwachten wir hart. Das Reisen, Backpacking, hat sich gewandelt und wir haben es gar nicht mitbekommen.

Wir steuern das nächste Hostel in unserem Reiseführer an und fragen mittlerweile vorsichtig, "Haben Sie ein Zimmer für uns frei?" "Habt ihr denn vorgebucht oder reserviert?", bekommen wir meist als Antwort. Seufzend schütteln wir den Kopf. "Ihr habt viel Glück, zwei Betten im 8er Dorm sind noch frei." Ohne sie vorher anzuschauen oder zu versuchen den Preis etwas zu drücken, nehmen wir sie. Hinter uns drängen sich bereits die nächsten Backpacker in die Rezeption. So war das vor 2-3 Jahren tatsächlich noch nicht. Da konnten wir ohne Probleme vor Ort uns noch um ein Zimmer kümmern. Uns die Hostels genau anschauen und dann entscheiden. Das ist nun oft nicht mehr. Egal wo wir hinkommen, die Hostels sind in der Regel ausgebucht, die Zimmer im Voraus reserviert. Das passiert uns in Mexiko, in Belize, selbst in Guatemala. Auch in Costa Rica und Panama sowie Kolumbien, Ecuador und Peru. Immer wieder versuchen wir es nach zwei Wochen einmal wieder und werden sofort auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Heute gibt es immer und überall W-Lan. Jedes Hostel, fast jeder öffentliche Park stellt eine Verbindung ins WorldWideWeb dar. Sogar der ein oder andere Bus hat W-Lan. Manchmal ist es nicht sonderlich schnell, aber es funktioniert. Und die ehemaligen Backpacker sitzen mit ihren Smartphones, Tablets oder Laptops dran und suchen wie wild auf Tripadvisor nach der neusten und besten Bewertung. 

Und wir zählen notgedrungen dazu. Wir haben auch gar keine andere Möglichkeit, wenn wir nicht auf der Strecke bleiben wollen. Jetzt müssen wir uns auf die Aussagen Dritter verlassen und den ersten Preis akzeptieren, wenn wir auf Nummer Sicher gehen wollen und nicht stundenlang auf der Suche nach einem freien Zimmer durch die Straßen ziehen wollen. Aber auch wir werden bequemer. So suchen wir meist einen Abend vorher nach der nächsten Stadt und einem passenden Hostel und buchen es dann über die Webseite oder einem Buchungsportal. Wir fühlen uns etwas in unserer Reisefreiheit eingeengt. Gerne würden wir die Vorteile der Informationen über das Internet unterwegs nutzen, uns aber nicht durch das ständige Vorreservieren und Vorbuchen zu früh steuern lassen.

Erst in Bolivien wird es, nach 7 Monaten auf der Straße, wieder besser. Es ist aber auch das erste Land, in dem W-Lan noch in den Kinderschuhen steckt. Oft wird es angeboten, selten funktioniert es. Und so kommen wir noch einmal in den Genuss, uns wie "richtige" Backpacker zu fühlen. Aber irgendwie macht das gar nicht mehr so richtig Spaß von einem Hostel zum nächsten zu ziehen. Einen Reiseführer besitzen wir auch nicht mehr und auf Preisverhandlungen lassen sie sich selten ein. Außerdem fehlen uns nun detaillierte, verlässliche und aktuelle Informationen zu Ausflügen aus Reiseblogs. Jaa, vielleicht sind wir mittlerweile einfach doch schon zu sehr an die moderne Technik gewohnt, eben ein Backpacker 3.0.



Darüber hinaus:
Neben dem Backpacker gibt es mittlerweile einen weiteren Begriff, der sich immer mehr etabliert: Flashpacker. Flashpacker sind Individual-Reisende mit etwas Anspruch. Sie sind meist etwas älter (über 25) als die klassischen Backpacker, haben bereits gearbeitet und somit etwas mehr Geld zur Verfügung. Deshalb müssen sie nicht sparen um jeden Preis. Buchen gerne ein Doppelzimmer statt Betten in einem 12er Schlafsaal, nehmen im Overnightbus die erste Klasse und gehen auch mal in einem Restaurant essen, statt nur selbst zu kochen oder sich von Garküchen zu ernähren (was sehr lecker sein kann). Daneben führen Flashpacker oft auch etwas mehr technisches Equipment mit sich herum: ein Smartphone ist Standard, daneben eine gut und eine teure Kamera (oft Spiegelreflex sogar mit Wechselobjektiven), einen Laptop oder ein Tablet und vielleicht sogar eine GoPro. Dennoch wollen Flashpacker, ebenso wie Backpacker unabhängig und flexibel reisen. Sie schmeißen Pläne kurzfristig über den Haufen, weil es sie doch woanders hinzieht, versuchen mit Einheimischen in Kontakt zu treten und hinter die Touristenfassaden zu schauen. Da zählen wir definitiv dazu und das sogar gerne :)

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