Freitag, 20. November 2015

Fußball in Mittel- und Südamerika


Fußball ist für die Mittel- und Südamerikaner wie die Luft zum Atmen. Wenn wir an das Herzblut und die Leidenschaft denken, mit der sie dieses Hobby verfolgen, sind wir Mitteleuropäer immer wieder fasziniert. In jedem noch so kleinen Ort gibt es mindestens einen Fußballplatz. Immer wieder sind wir verwundert, wenn wir auf einer Wanderung plötzlich mitten im Nirgendwo auf ein Fußballfeld stoßen. Oft weiden Kühe oder Lamas darauf. Aber die Tore zeigen uns, was der eigentlich Sinn der großen Grünfläche ist. Als wir in Ecuador in einer Schule vorbei schauen bauen die Jungs in wenigen Minuten aus drei langen Bambusstangen ein Tor auf. Dabei beweisen sie großes Geschick. Wir sind beeindruckt. Doch als wir mehrmals hautnah bei Spielen dabei sind, zeigt sich uns plötzlich ein ganz anderes Bild. 

Mexiko. Gemeinsam mit Nico und Sabine, die als Expats für drei Jahre in Queretaro wohnen, wollen wir ins Stadium und ein Spiel der ersten Mannschaft anschauen. Am Tag vorher bekommen wir ohne Probleme noch Karten, obwohl es sich um das entscheidende Spiel zum Einzug in die Meisterschaftsendrunde handelt. Wir sind leicht verwundert, aber doch erfreut. Immerhin können wir so einen echten Superstar bewundern: Ronaldino ist mittlerweile in Queretaro gelandet. Überall strahlt uns sein unverkennliches Lächeln entgegen. Außerdem laufen fast alle Fans mit seinem Trikot umher. Leicht verwundert frage ich Nico, wieso denn niemand einen anderen Namen auf dem Trikot trägt? Die Erklärung ist simpel: Es gibt nur Ronaldino oder keinen Namen. So wie in Deutschland, dass man sich jeden beliebigen Namen auf das Trikot flocken kann, gibt es hier nicht.

Dann geht es endlich los. Wir freuen uns schon auf die Gesänge, das Gehüpfe und das Geschimpfe. Es bleibt fast alles aus. Bei jeder Ecke wird zwar der Gegner als "S..." betitelt, aber das war dann auch schon alles. Bei jedem Drittliga-Spiel in Deutschland ist mehr Stimmung. Erst als in der 80. Minute der Superstar eingewechselt wird, wird jeder Ballkontakt von ihm bejubelt. Als er dann auch noch in der 90. den allesentscheidenden Elfmeter verwandelt springt man zum ersten Mal vom Sitz. Dann ist aber auch schon Schluss. Wir sind enttäuscht.


Kolumbien. Es ist Copa America (gleichzusetzen mit der EM in Deutschland). Kolumbien ist zwar keine überragende Fußballernation, aber fußballbegeistert sind sie alle. So läuft die gesamte Stadt an den Spieltagen im Trikot umher. Da wollen wir doch dazu gehören und kaufen uns an einem der unzähligen Straßenstände je ein Shirt. Damit geht es direkt zum Public Viewing. Das wird sicherlich weltklasse. Denken wir. Stattdessen sitzen wir mit hunderten Kolumbianer vor einer riesigen Leinwand und schauen fast stumm einem Spiel zu. Da ist während einer EM in jedem Wohnzimmer in Deutschland mehr los. Nur der Kommentator überschlägt sich fast, auch wenn nur ein Rückpass zum eigenen Torwart gespielt wird. In der Halbzeitpause legt ein DJ Musik auf und plötzlich stehen alle auf den Stühlen und lassen die Hüften kreisen. Völlig verdattert schaue ich mich nach Thomas um, der nur mit den Schultern zuckt. Nach 90 Minuten ist Kolumbien im Viertelfinale. Als Best of the Rest. Immerhin.

So haben wir noch eine weitere Chance. Einige Tage später sitzen wir wieder beim Public Viewing. Diesmal auf dem Dach eines Einkaufscenters. Um uns herum gefühlt die ganze Stadt. Und wieder stimmt keiner auch nur ein Lied an oder klatscht in die Hände bei einem guten Angriff oder einer guten Parade. Erst als es ins Elfmeterschießen geht (und zwar bereits nach 90 Minuten), kommt etwas Leben in die Meute. Leider scheidet Kolumbien dabei gegen Argentinien unglücklich aus. 

Brasilien. Wir schlendern an der Strandpromenade entlang und schauen begeistert den Jungs beim Jonglieren mit dem Fußball zu. Vor allem auf dem Volleyballfeld sieht das sehr beeindruckend aus. Aber als wir ein paar Tage später in einer rappelvollen Bar das WM-Qualifikationsspiel von Brasilien gegen Peru verfolgen, wird ausschließlich bei Torero kurz geklatscht. Selbst Pfostenschüsse bleiben unkommentiert.

Etwas befremdlich ist für uns auch die Aussage, dass Fußball immer erst gegen 22h laufen kann, da davor Soaps laufen, die sich bei den Zuschauern allergrößter Beliebtheit erfreuen.


Wir sind mittlerweile deillusioniert. Sowohl die Mittel- als auch die Südamerikaner zeigen bei ihrer Herzensportart so gut wie keine Regung. Außer sie spielen vielleicht selber. Woher kommt dann das Gerücht, dass sie so leidenschaftlich dabei wären? Vielleicht weil sie sowohl vor, als auch nach dem Spiel zur Musik tanzen und somit allen unbeteiligten Zuschauern das Gefühl vermitteln den Fußball zu feiern? In Wirklichkeit feiern sie aber nur die Musik. Ich bin froh, dass das in Deutschland anders ist und freue mich auf das nächste Public Viewing mit ehrlichen und lauten Reaktionen zu dem Spiel, was da gerade auf dem Rasen stattfindet.


Vamos GALLOS


Mit der Kokosnuss kicken 




Fußball auf jeder freien Stelle

Und bei jedem Wetter 

Copa America in Kolumbien 

Public Viewing 


Gemäht wird hier noch ökologisch

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